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Highlights der virtuellen ASCO Konferenz 2020


Infolge der COVID-19-Pandemie fand das diesjährige Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO) virtuell als Online-Konferenz vom 29. bis 31. Mai 2020 statt. Auch wir vom Verein Das Lebenshaus waren online dabei, um uns über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse rund um die Behandlung von Nierenkrebs zu informieren. Die folgende Zusammenfassung der wichtigsten Themen wurde uns netterweise von der International Kidney Cancer Coalition (IKCC) zur Verfügung gestellt und von uns lediglich ins Deutsche übersetzt.

Bitte beachten Sie: Die folgende Zusammenfassung wurde von Patientenvertretern für Patientenorganisationen erstellt, die sich für Nierenkrebs-Betroffene einsetzen. Obwohl diese Zusammenfassung medizinisch geprüft wurde, basieren die hierin enthaltenen Informationen auf öffentlichen Daten die beim ASCO Kongress vorgestellt wurden, sie sind sicherlich nicht allumfassend und können das Gespräch mit dem Arzt nicht ersetzen.

 

Savolitinib zur Behandlung des papillären Nierenzellkarzinoms

Überaus interessant war der Vortrag von Dr. Toni K. Choueiri vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston, USA. Er präsentierte die Ergebnisse einer Studie, die den Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Savolitinib als mögliche Therapie für eine spezielle Art des Nierenkrebses, das sogenannte papilläre Nierenzellkarzinom (pRCC) untersuchte. Mehr zur Wirkweise von TKIs lesen Sie hier: Tyrosinkinase-Inhibitoren.

Das papilläre Nierenzellkarzinom (pRCC) ist mit ungefähr 15% aller Fälle der zweithäufigste Nierenkrebs-Typ, direkt nach dem klarzelligen Nierenzellkarzinom. Oftmals zeigen die bisher zugelassenen Medikamente für diese Art des Tumors aber leider kaum Wirkung. Bei Savolitinib handelt es sich um einen Tyrosinkinase-Inhibitor, also einen zielgerichteten Wirkstoff, der auf den sogenannten MET-Rezeptor in unseren Körperzellen abzielt. Mittlerweile ist bekannt, dass einige pRCC-Patienten Veränderungen, sogenannte Mutationen, im MET-Rezeptor-Gen aufweisen. Dadurch wird der Rezeptor unangemessen aktiv und die Krebszellen können sich vermehren und verbreiten. In der von Dr. Choueiri vorgestellten Studie wurden lediglich Patienten aufgenommen, deren Tumoren Mutationen im MET-Gen aufwiesen. Es wird vermutet, dass diese besonders gut auf die Behandlung mit Savolitinib ansprechen könnten.

Insgesamt wurden 254 pRCC-Patienten genauer untersucht, lediglich 60 wiesen das abnormale MET-Gen auf und wurden in die Studie eingeschlossen. Diese Patienten wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe erhielt Savolitinib (33 Patienten), die andere bekam den TKI Sunitinib (27 Patienten).

Das mediane progressionsfreie Überleben (also die Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung) betrug bei Patienten in der Savolitinib-Gruppe 7,0 Monate im Vergleich zu 5,6 Monaten bei den Patienten in der Sunitinib-Gruppe. Mehr als die Hälfte der Patienten, die Savolitinib einnahmen, waren am Ende der Nachbeobachtungszeit noch am Leben, was bedeutet, dass das mediane Gesamtüberleben für diese Patientengruppe noch nicht berechnet werden konnte. Das mediane Gesamtüberleben für die Patienten die Sunitinib einnahmen, betrug 13,2 Monate.

Bei den Patienten unter Savolitinib zeigten sich im Durchschnitt weniger schwerwiegende oder lebensbedrohliche Nebenwirkungen und auch Dosisanpassungen waren seltener nötig als bei den Patienten unter Sunitinib. Schwere oder lebensbedrohliche unerwünschte Wirkungen traten bei 42% der Patienten unter Savolitinib auf, verglichen mit 81% in der Sunitinib-Gruppe.

Da die Ansprechrate (definiert als eine Verringerung des Tumors um mindestens 30%) sehr gering war (9 Patienten in der Savolitinib-Gruppe, 2 Patienten in der Sunitinib-Gruppe), war es nicht möglich, die mittlere Ansprechdauer für die Patienten in der Studie zu berechnen.

Die Tatsache, dass die Studie nur eine geringe Anzahl von Patienten umfasste und vorzeitig abgebrochen wurde, macht es schwierig, aus diesen Ergebnissen eindeutige Schlussfolgerungen zu ziehen. Hier sind sicherlich weitere Untersuchungen erforderlich, auch wenn einige der ersten Daten vielversprechend aussehen.

 

Neues für die Behandlung von erblichem Nierenkrebs

In diesem Jahr wurden auf dem ASCO Kongress zwei Studien vorgestellt, die Therapien für die erblichen Formen von Nierenkrebs untersuchten.
In der ersten Präsentation waren dies die Ergebnisse einer Phase-II-Studie mit Bevacizumab und Erlotinib bei Patienten mit fortgeschrittener hereditärer Leiomyomatose und papillärem Nierenzellkrebs (HLRCC, einer erblichen Form von Nierenkerbs) oder sporadischem (d. h. nicht vererbtem) papillärem Nierenzellkarzinom (pRCC).

Die Studie umfasste 83 Patienten mit papillärem Nierenzellkarzinom. Die Hälfte der Patienten war an HLRCC erkrankt, einer Erbkrankheit, die mit Myomen bei Frauen, kleinen gutartigen Hauttumoren, sogenannten Leiomyomen, und aggressiven Nierenkrebserkrankungen einhergeht. Die andere Hälfte der Patienten hatte ein nicht erbliches papilläres Nierenzellkarzinom. Während der Studie wurden die Patienten mit einer Kombination aus dem TKI Erlotinib und Bevacizumab, einem sogenannten Antikörper, behandelt. Mehr zu Antikörpern finden Sie hier: Antikörper-Therapie.

Bei Patienten mit HLRCC betrug die objektive Ansprechrate 64% und bei Patienten mit nicht erblichem papillärem RCC 37%. Das mediane progressionsfreie Überleben, also die Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung,  betrug 21,1 Monate bei HLRCC-Patienten und 8,7 Monate bei Patienten mit nicht erblichem papillärem RCC.

Dies ist die bisher größte prospektive Studie an Patienten mit HLRCC. Sie zeigt, dass die Kombination von Bevacizumab und Erlotinib bei Patienten mit papillärem RCC, insbesondere bei Patienten mit Fumaratdehydrogenase (FH) -Mangel, wie dies bei HLRCC häufig vorkommt, sehr wirksam ist. Bei den Patienten, die auf die Behandlung ansprachen, insbesondere bei denjenigen mit HLRCC, ist die Wirksamkeit mit einem mittleren progressionsfreien Überleben von mehr als 21 Monaten langanhaltend.

In einem weiteren virtuellen Vortrag wurde eine Phase-II-Studie vorgestellt, die von Forschern des MD Anderson Cancer Center in Houston, USA, durchgeführt wurde. Die Studie umfasste 61 Patienten mit der Diagnose einer von-Hippel-Lindau-Krankheit (VHL). VHL ist eine erbliche Erkrankung, die zu mehreren Tumoren in den Nieren, Krebserkrankungen in der Bauchspeicheldrüse und gutartigen Tumoren in Auge, Gehirn, Wirbelsäule und Nebennieren führen kann. Die Studienteilnehmer hatten zuvor noch keine medikamentöse Behandlung erhalten, der Nierenkrebs hatte sich noch nicht in andere Organe ausgebreitet, sie waren also nicht metastasiert und bei einigermaßen guter Gesundheit. Die Patienten wurden mit einem neuartigen Wirkstoff behandelt, einem sogenannten Hypoxie-induzierten Faktor (HIF) -2-Alpha-Inhibitor (MK-6482).

Die objektive Ansprechrate betrug 27,9%, eine Abnahme der Tumorgröße zeigte sich bei 86,9% der Patienten und die mediane Ansprechzeit betrug 5,5 Monate. Während der Behandlung trat bei keinem der Patienten ein Fortschreiten der Erkrankung auf und 58 Patienten (95,1%) blieben auch nach Studienende weiter unter dieser Behandlung.

MK-6482 wurde gut vertragen und die meisten Nebenwirkungen waren milder oder mäßiger Natur. Weniger als 10% der Patienten litten an schweren unerwünschten Wirkungen und es gab keine lebensbedrohlichen Nebenwirkungen.

"Patienten mit der von Hippel-Lindau-Krankheit haben ein hohes Risiko verschiedene Krebs-Arten zu entwickeln und derzeit gibt es keine zugelassenen Therapien", so Dr. Eric Jonasch, Leiter der Studie. "Wir sind von den Ergebnissen dieser klinischen Studie ermutigt und wir freuen uns auf weitere Studien zu MK-6482, während wir daran arbeiten, diese Behandlungsoption für Patienten mit der VHL-Krankheit verfügbar zu machen. " In weiteren Studien soll nun untersucht werden, inwieweit MK-6482 die Entwicklung neuer Tumoren bei Patienten mit der VHL-Krankheit verhindern kann.

 

Zwei ist besser als eins?

Kombinationstherapien waren das Hauptthema beim ASCO 2020 Kongress, mit Präsentationen aktualisierter Auswertungen laufender Studien und Ergebnissen einiger neuer Studien.
Die KEYNOTE-426-Studie des Immuncheckpoint-Inhibitors Pembrolizumab plus der zielgerichteten Therapie Axitinib im Vergleich zu Sunitinib als Erstbehandlung bei fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (RCC) zeigt weiterhin eine verbesserte Wirksamkeit der Kombinationsbehandlung. (Mehr zu Immuncheckpoint-Hemmern lesen Sie hier.)

"In der Phase-3-Studie wurde die Kombination aus Axitinib plus Pembrolizumab mit einer der Standardtherapien zur Behandlung von Nierenkrebs, nämlich Sunitinib, verglichen. Es zeigte sich, dass die Studienteilnehmer unter der Kombinationstherapie länger lebten", sagte Dr. Elizabeth Plimack, die leitende Ärztin. Die Kombination von Pembrolizumab und Axitinib verkleinert Tumore zuverlässiger als Sunitinib und diejenigen Patienten, deren Tumoren am meisten schrumpften, lebten am längsten.

Weitere Follow-up-Daten von KEYNOTE-426 wurden auf dem virtuellen ASCO-Meeting vorgestellt, um festzustellen, welche Patienten besonders von der Behandlung profitierten. Die Kombination kam Patienten mit mittlerer und ungünstiger Prognose am meisten zugute, also der Gruppe der Patienten mit der aggressivsten Krebserkrankung. Patienten mit günstiger Prognose profitierten nicht von dieser Kombination. (Mehr zu den Prognosegruppen lesen Sie hier: Vor der Therapie)

Zwei weitere vorgestellte Studien gingen der Frage nach, ob die Erstbehandlung von metastasiertem Nierenkrebs mit dem Immuncheckpoint-Inhibitor Nivolumab, gefolgt von der Zugabe eines zweiten Immuncheckpoint-Inhibitors, Ipilimumab, bei Patienten mit stabiler oder fortschreitender Erkrankung genauso wirksam ist, wie der Einsatz einer Kombinationstherapie direkt von Beginn der Behandlung an:

In der OMNIVORE-Studie erhielten Patienten, die nicht auf eine Behandlung mit Nivolumab allein ansprachen, bis zu zwei Zyklen des Wirkstoffs Ipilimumab. Die Forscher untersuchten 83 Patienten. Die Mono-Behandlung mit Nivolumab führte bei 11% der Patienten zu einem teilweisen Ansprechen. Nach Zugabe von Ipilimumab stieg diese Zahl lediglich um 4%. Diese Ergebnisse legen nahe, dass ein verzögerter Einsatz der Behandlung mit Ipilimumab die Gesamtwirksamkeit der Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab verringert und dass eine direkte Behandlung mit der Kombination (also beiden Wirkstoffen gleichzeitig) wirksamer ist.

Die HCRN GU16-260-Studie ähnelte der OMNIVORE-Studie, jedoch wurden die Patienten mit vier Dosen Ipilimumab behandelt anstatt nur zwei. 123 Patienten mit metastasiertem Nierenkrebs wurden in die Studie eingeschlossen. Die Gesamtansprechrate betrug 29,3% mit Nivolumab allein, wobei bei 4,3% der Patienten die Erkrankung nicht mehr nachweisbar war (complete resonse), bei 30,7% der Patienten zeigte sich ein Fortschreiten der Erkrankung. Von den 30 Patienten, die später die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab erhielten, zeigten 11% eine partielle Remission (einen teilweisen Rückgang der Erkrankung) und 59% ein Fortschreiten der Erkrankung. Diese Studie zeigte ebenfalls, dass ein verzögerter Einsatz von Ipilimumab möglicherweise nicht so wirksam ist wie die Kombination, also beide Medikamente von Anfang an.

Die Ergebnisse der klinischen Phase-II-Studie FRACTION-RCC zur Bewertung der Kombination von Nivolumab plus Ipilimumab bei zuvor behandelten Nierenkrebs-Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung wurden ebenfalls vorgestellt. Die Studie untersuchte 46 Patienten die bereits eine Therapie gegen Nierenkrebs erhalten hatten und nicht auf die Behandlung mit einem Immuncheckpoint-Inhibitor ansprachen (PD-1). Diese Patienten wurden mit der Kombination Ipilimumab/Nivolumab behandelt. Die objektive Ansprechrate betrug 15,2%; keiner der Patienten sprach vollständig auf die Behandlung an (complete response), lediglich 7 Patienten zeigten ein teilweises Ansprechen.

Diese Daten legen nahe, dass die Kombination von Nivolumab und Ipilimumab bei Patienten mit zuvor behandeltem fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom lediglich eine geringe Wirksamkeit aufweist. Dies gilt auch für Patienten, bei denen während der Einnahme einer Immuncheckpoint-Inhibitor-Therapie ein Fortschreiten ihres Krebses auftrat. Die Daten unterstreichen auch, dass die Kombination von Nivolumab plus Ipilimumab idealerweise als Erstlinientherapie verabreicht werden sollte.

Die Ergebnisse einer Phase-II-Studie mit einer Kombination aus Lenvatinib (zielgerichtete Therapie) und Pembrolizumab (Immuncheckpoint-Inhibitor) zur Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms, das nicht auf die Behandlung mit einer Immuntherapie ansprach, wurden während des Kongresses ebenfalls präsentiert. Insgesamt 104 Patienten mit metastasierter Erkrankung, die nicht mehr auf die Behandlung mit einer Immuntherapie ansprachen, wurde in die Studie aufgenommen. Alle Patienten wurden mit der Kombination aus Lenvatinib und Pembrolizumab behandelt. Die objektive Ansprechrate betrug 51%, das progressionsfreie Überleben 11,7 Monate und die mittlere Ansprechdauer 9,9 Monate.

Die Studie lieferte also durchaus ermutigende Daten zur Kombination von Lenvatinib und Pembrolizumab als Zweitlinienoption für Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom, die zuvor eine Immuntherapie erhalten haben.

 

Biomarker für die Immuntherapie bei fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom

Mithilfe von Biomarkern können Ärzte vorhersagen, welche Patienten auf welche Medikamente ansprechen. Bei vielen Krebsarten spielen sie bereits eine wichtige Rolle. Für das Nierenzellkarzinom wurde bisher aber noch kein guter Biomarker gefunden. Das liegt sicherlich auch mit daran, dass immer noch keine eindeutige genetische Veränderung entdeckt wurde, die die Entwicklung der Erkrankung „antreibt“.

Zwei Veröffentlichungen die während des virtuellen ASCO 2020-Meetings vorgestellt wurden, fassen die Arbeiten zur Bestimmung von Immuntherapie-Biomarkern für das fortgeschrittene Nierenzellkarzinom zusammen. Beide Arbeiten kommen zu dem Schluss, dass sich alle bisher untersuchten Biomarker nicht als nützlich erwiesen und weitere Untersuchungen erforderlich sind.

 

Danksagung:

Medizinische Experten:
Dr Rachel Giles (NL)
Dr Micheal Jewett (CA)
Dr Eric Jonasch (USA)

Medizinischer Texterin:
Dr Sharon Deveson Kell (UK)

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